Smartphones bergen ein gewisses Suchtpotential. Das macht auch das Ergebnis einer Studie deutlich, das besagt: Unter 30-Jährige sind täglich mehr als vier Stunden online. Ist das noch normal? Eine konkrete Antwort darauf zu finden, ist nicht einfach. Es gibt Menschen, die täglich mehrere Stunden auf ihr Smartphone starren und dennoch ihren Alltag gewohnt nachgehen können. Es gibt aber auch Menschen, die das Handy vielleicht weitaus weniger nutzen, aber dennoch Hobbys und Freunde vernachlässigen.
Fangen wir von vorne an: Um zu wissen, warum das Smartphone solch ein Suchtpotential bereithält, sollte man die Mechanismen des Gehirns kennen, die durch die Smartphone-Nutzung ausgelöst werden.
Generell spielen sich im Hirn eines Smartphone-Nutzers ähnliche Dinge ab wie bei Glücksspielern. „Ich führe eine Handlung aus, und dann gibt es eine Überraschung“, erklärt Informatiker Alexander Markowetz, der an der Universität Bonn zum Thema digitaler Burn-out geforscht hat.
Die Handlung ist dabei das Tippen zum Aktivieren des Displays, die Überraschungen können vielfältig sein: Hat sich schon jemand mein Urlaubsfoto angesehen? Gibt es Neuigkeiten? Hat der nette Typ aus der Bar schon angerufen? Hat jemand meinen Kommentar auf Facebook geliked? Schaffe ich heute das nächste Level beim Online-Gaming?
Ist das der Fall, schüttet der Körper das Glückshormon Dopamin aus. Es sorgt dafür, dass wir immer wieder zum Display greifen. „Das ist maximale Belohnung mit minimalem Aufwand“, erklärt Michael Knothe, Pressesprecher beim Fachverband Medienabhängigkeit.
Doch nicht jeder, der sein Smartphone häufig nutzt, ist gleich abhängig. Es gibt bestimmte Risikofaktoren, die einen Menschen in eine ernsthafte Handysucht treiben. Etwa dann, wenn das Handy zur Ablenkung in Stresssituationen zum Einsatz kommt oder um sich vor unangenehmen Aufgaben zu drücken. „Sorgen machen sollte man sich dann, wenn sich alles ums Handy dreht und man auch schöne Tätigkeiten unterbricht, um aufs Display zu gucken“, so Kai Müller, der als Psychologe in der Spielsucht-Ambulanz des Mainzer Uniklinikum arbeitet.
Kurzum: Die Beschäftigung mit dem Smartphone darf weder das Hobby noch die sozialen Kontakte beeinträchtigen oder gar ersetzen. Wer zwar stundenlang chattet, aber weiter in den Sportverein geht und die Schule, Uni oder Arbeit schafft, habe laut Experten eher kein Suchtproblem.
Smartphones können – anders als etwa der Daddelautomat in der Spielhalle oder das Online-Gaming am PC – überall mit hingenommen und somit auch konsumiert werden. Es gibt nahezu keine Pausen mehr. Daher sei es wichtig, konkrete Auszeiten zu definieren, rät Psychologe Müller. Er rät dazu, Offline-Tage einzulegen, an denen man die mobile Datennutzung ausschaltet. Zudem sollte das Smartphone generell aus dem Bett und vom Esstisch verbannt werden.
Im Folgenden geben wir noch weitere Tipps für das digitale Entgiften.
Alarmtöne ausschalten
Wer sein Handy auf lautlos schaltet, wird nicht bei jedem Alarmton genötigt, auf sein Smartphone zu schauen. Wer für einen wichtigen Anruf erreichbar bleiben muss, kann in den Einstellungen zumindest die Signaltöne für Mitteilungen und WhatsApp auf stumm schalten.
Smartphone bei wichtigen Tätigkeiten ausschalten
Wer Hausaufgaben machen, lernen oder noch etwas für die Arbeit erledigen muss, sollte das Smartphone komplett ausschalten. Denn es lenkt nur ab. Auch wer die so seltene Quality Time mit Familie und Kindern genießen möchte, sollte das Handy einfach mal ausschalten.
Echten Wecker nutzen
Klingt simpel, hat aber eine große Wirkung. Wer sich einen richtigen Wecken neben das Bett stellt, wird nicht vor dem Schlafengehen oder Frühmorgens dazu verleitet, zuerst sämtliche soziale Netzwerke zu checken.
Gleiches gilt für die Nutzung einer Armbanduhr, die das ständige Smartphone-Checken überflüssig macht.
Komplizierten Zugangscode nutzen
Wer es vermeiden möchte, ständig auf das Smartphone zu schauen, sollte sich einen komplizierten Entsperrungscode überlegen. Je schwieriger der Code ist, desto höher der „Aufwand“, um das Handy zu entsperren. So überlegt man es sich doch zweimal, ob es in diesem Moment wirklich nötig ist, auf das Smartphone zu schauen.
Soziale Netzwerke reduzieren
Wer die Anzahl seiner sozialen Netzwerke reduziert, spart Zeit und Nerven. Wer sich beispielsweise für Facebook oder Twitter entscheidet, sollte die andere App vom Smartphone entfernen. Wer auf keines seiner Netzwerke verzichten kann, sollte diese zumindest nur über Laptop oder PC aufrufen. Am besten man legt sich dafür einen festen täglichen Zeitraum fest.
Flugmodus nutzen
Wer das Handy auf den Flugmodus stellt, kappt damit die Verbindung zum Internet. Anrufe können aber weiterhin getätigt werden. Auch der SMS-Versand und das Knipsen von Fotos sind noch möglich.
Handy-Prothese
Wer tatsächlich in eine tiefe Sucht gefallen ist, kann es – neben der Inanspruchnahme von professioneller Hilfe – mit einer Handy-Prothese versuchen. Dieses sogenannten No-Phone ist ein schwarzer Block in Form eines Smartphones. Es bietet keinerlei Funktionen, sondern soll dem Betroffenen lediglich das Gefühl vermitteln, das eigene Handy bei sich zu haben. Laut Experten sollen sich Abhängige damit während ihres Entzugs deutlich besser fühlen.
Probe aufs Exempel
Wer sich nicht sicher ist, ob sein eigener Umgang mit dem Smartphone schon besorgniserregend ist, kann das ganz einfach selbst testen: Einfach einen ganzen Tag lang versuchen, ohne das Gerät auszukommen. Klappt das gut, sei die Nutzung laut Psychologe Müller im Rahmen.